Klinik für diagnostische und interventionelle Radiologie
Chefarzt Prof. Dr. Matthias Bollow
Augusta-Kranken-Anstalt gGmbH
Bergstraße 26 - 44791 Bochum
Tel.: 0234 / 517-2753
Bei Gelenkschmerzen - mit oder ohne Schwellung und Rötung einhergehend - kann ein Röntgenbild eine wertvolle diagnostische Hilfe sein. Zunächst sollten Sie sich jedoch in die Sprechstunde eines in der Erkennung und Behandlung entzündlicher und degenerativer Gelenkerkrankungen erfahrenen Arztes (Internist, Rheumatologe, Orthopäde) begeben, der sich ein genaues Bild von Ihren Beschwerden macht und Sie gründlich untersucht. Er entscheidet sich danach gegebenenfalls, Röntgenaufnahmen anfertigen zu lassen und die Meinung des Radiologen mit in die Diagnose einfließen zu lassen.
Die häufigste Fragestellung an den Radiologen ist die Unterscheidung zwischen entzündlichen und degenerativen (verschleißbedingten) Veränderungen. In der Mehrzahl der Fälle ist die Unterscheidung eindeutig möglich.
Entzündlich bedingte Gelenkerkrankungen, die Arthritis (Plural: Arthritiden) genannt werden, sind die rheumatoide Arthritis, die Arthritis psoriatica (Arthritis bei Schuppenflechte), die reaktive Arthritis (Arthritis beispielsweise nach Infektionen des Magen-Darm-Traktes und der Harnwege), die Lyme-Borreliose (Arthritis nach einem Zeckenstich) und weitere, seltenere Arthritis-Formen. Ebenso gehört die Gicht (Arthritis urica) in die Gruppe der entzündlichen Gelenkerkrankungen.
Degenerative Veränderungen werden Arthrosen oder Arthrosis deformans genannt. Spezielle Formen sind die Heberden-Arthrose (Arthrose der Fingerendgelenke), die Bouchard-Arthrose (Arthrose der Fingermittelgelenke) und die Rhizarthrose (Arthrose des Daumensattelgelenkes).
Außerdem lassen sich bei bestimmten Manifestationen Kollagenosen (Bindegewebserkrankungen) im Röntgenbild erkennen. Zu dieser Gruppe gehören als wichtigste Vertreter der systemische Lupus erythematodes (SLE), die progressive systemische Sklerodermie und Mischkollagenosen.
Gelegentlich liegen Kombinationen der einzelnen Erkrankungen vor, die nicht allein durch das Röntgenbild klassifiziert werden können
Häufig spürt und sieht der Patient Veränderungen an den Händen früher als an den Zehengelenken, da die Hände bei jedem Griff zur Tasse und bei jedem Öffnen einer Tür sehr präzise Bewegungen vollführen müssen. Die Füße sind im Schuhwerk in der Regel gut gebettet und die "Toleranz" ist hier größer.
Die Hände werden vom Arzt meist aufmerksamer als die Füße betrachtet. Die Hände sind die "Visitenkarte des Rheumatikers". Trotzdem zeigen sich Frühzeichen der Arthritis an den Zehengelenken oft vor Veränderungen an den Hand- und Fingergelenken. Deshalb ist es wichtig, immer beide Regionen zu untersuchen. Oftmals bieten die Befunde der Röntgenuntersuchung an den Füßen dem Radiologen den Schlüssel zur richtigen Diagnose.
Herkömmliche Röntgenaufnahmen sind immer Summationsaufnahmen. Das heißt, alle inneren Strukturen einer Gliedmaße werden als "Summe" auf einem Film abgebildet. So kann aber nicht unterschieden werden, welche Veränderungen vorn und welche hinten sind. Deshalb wird in der Radiologie in der Skelettdiagnostik fast immer eine zweite Ebene benötigt. Dadurch gelingt die Unterscheidung zwischen vorn oder hinten und oft finden sich frühe röntgenologische Veränderungen nur in einer der beiden Ebenen, die anderenfalls bei einer Röntgenuntersuchung nur mit einer Aufnahme dem Nachweis entgangen wären.
Am Rand der Röntgenaufnahmen entstehen immer geometrische Verzerrungen der abgebildeten Strukturen. Je weiter die Röntgenröhre von der Hand entfernt ist, desto weniger Verzerrungen entstehen. Letztlich ist die röntgenologische Abbildung der Knochen nur in der Mitte der "belichteten" Fläche geometrisch exakt. Würde man beide Hände auf den Röntgentisch legen und gleichzeitig röntgen, so würden die beiden Daumen und viel Luft geometrisch exakt abgebildet werden. Die häufig erkrankten Gelenke liegen dann am Rand. Dies kann vermieden werden, wenn erst die eine und dann die andere Hand röntgenuntersucht wird und so große Teile der Hand im exakt abgebildeten Bereich liegen. Eine zusätzliche Strahlenexposition und somit eine Gefahr für den zu untersuchenden Patienten entsteht dadurch nicht.
Die verschiedenen Formen der Arthritis drücken sich durch Weichteilzeichen (Weichteilverbreiterungen, Weichteilverdichtungen, Fehlstellungen der Gelenke), Kollateralphänomene (gelenknahe Entkalkung des Knochens), Erosionen (kleine Defekte am Knochen) und Ankylosen (knöcherne Gelenkversteifungen) aus.
Bei der Verschleißerkrankung Arthrose kommt es nicht zu knöchernen Defekten, sondern zur Bildung sogenannter Osteophyten (kleine Anbauten am Rand der Gelenkflächen). Unter der Knorpelschicht bilden sich sogenannte Geröllzysten
Die Suche nach diesen teilweise sehr feinen Veränderungen beansprucht besonders für die Früherkennung viel Zeit und Konzentration. Die Behandlung einer Gelenkerkrankung wird vom Befund des Radiologen beeinflusst. Deshalb ist Sorgfalt oberstes Gebot. Die Röntgenaufnahmen werden in schwierigen Fragestellungen von zwei oder drei Radiologen begutachtet, was ebenfalls Zeit in Anspruch nimmt.
Wir bemühen uns, den Befund schnellstmöglich an Ihren Arzt zu übermitteln. Besteht Interesse an den Röntgenaufnahmen, so können diese selbstverständlich durch Ihren behandelnden Arzt angefordert werden.
Es ist allgemeine Praxis, Verlaufskontrollen jeweils einmal jährlich durchzuführen. Nach gesicherter Diagnose genügen bisweilen Röntgenverlaufsuntersuchungen im Abstand von zwei Jahren. Bei besonders aggressivem Verlauf oder bei schwierig einzuordnenden Befunden können auch Kontrollen nach sechs Monaten erforderlich sein.
Röntgenaufnahmen der Hände und Füße sind mit weniger Strahlenexposition verbunden, als oft in der Bevölkerung angenommen. So beträgt die effektive Dosis von Röntgenaufnahmen einer Hand oder eines Fußes in zwei Ebenen nur 0,06 mSv (Millisievert). Für die standardmäßige Anfertigung von beiden Händen und beiden Füßen (acht Aufnahmen) sind das dann 0,24 mSv. Zum Vergleich: Für eine Thoraxübersichtsaufnahme in zwei Ebenen ist eine effektive Dosis von 0,30 mSv erforderlich; während eines Hin- und Rückfluges von Berlin nach Kalifornien wirkt auf den Körper eine effektive Dosis von 0,20 mSv ein.
Alternative bildgebende Verfahren sind die Skelettszintigraphie, der Gelenkultraschall und die Magnetresonanztomographie (Kernspintomographie).
Die Szintigraphie beruht auf der Injektion eines radioaktiven Stoffes, dessen Anreicherung mittels einer Gamma-Kamera zu einem Bild verarbeitet wird. Sie ist deshalb auch mit einer Strahlenexposition verbunden. Die Szintigraphie eignet sich zum Screening in der Diagnostik von Knochenveränderungen und ist sensitiver als die konventionelle Röntgendiagnostik, jedoch unspezifisch. Der diagnostische Wert der Szintigraphie zur Verlaufskontrolle bei entzündlich-rheumatischen Gelenkerkrankungen ist jedoch umstritten.
Der Gelenkultraschall (Arthrosonographie) eignet sich sehr gut zur Beurteilung von entzündlichen Weichteilveränderungen wie Gelenkhautentzündungen, Gelenkergüsse sowie Schleimbeutel- und Sehnenscheidenentzündungen. Die Befundgüte hängt jedoch von den Erfahrungen der Untersucher und dem Ultraschallgerät ab. Der Knochen selbst kann durch die Ultraschallwellen nicht durchdrungen werden - nur die Knochenoberfläche wird abgebildet.
Mittlerweile existieren erste Erfahrungen in der frühen Diagnostik chronisch-entzündlicher Gelenkerkrankungen mit Hilfe der Magnetresonanztomographie. Dieses Verfahren erzeugt mit Hilfe eines Magnetfeldes Schnittbilder mit besonders hohem Weichteilkontrast ohne Strahlenexposition. In der Mehrzahl der Fälle muss zusätzlich Kontrastmittel gegeben werden. Da diese Untersuchungsmethode sehr aufwendig, zeitintensiv und teuer ist, wird sie derzeit selten und nur in bestimmten Zentren mit erfahrenen Untersuchern für die rheumatologische Gelenkdiagnostik angewendet.